Moin Bushhandwerker. Willkommen zu diesem neuen Format – Wildkunde, diesmal das Rotwild. In der Vergangenheit habe ich ja schon häufig verschiedenste Pilze, Kräuter, Bäume und Pflanzen in Blogbeiträgen vorgestellt. Das ist aber natürlich nicht der ganze Umfang an Lebewesen, denen wir in unseren Wäldern begegnen.
Um diese Liste um eine wichtige Komponente zu erweitern und auch nicht nur allen Kräutersammlern und Pilzenthusiasten da draußen wertvollen Inhalt zu liefern, kommt die Wildkunde zum Bushhandwerk Blog Portfolio hinzu.
Den Einstieg mit macht mit diesem Beitrag kein geringeres als das Rotwild. Die größte Wildart, die in unseren heimischen Wäldern zu finden ist.
Kurzer Steckbrief
Familie | Hirsche |
Körperbau | Paarhufer, aufgebrochen bis 160kg (m) / 90kg (f) |
Wahrnehmung | Sehr gutes Gehör / Geruchssinn, Bewegungsseher |
Geschlechtsreife | 16 – 18 Monate |
Brunftzeit | Mitte September bis Mitte Oktober |
Tragzeit | 34 Wochen (1 Kalb, sehr selten 2) |
Säugedauer | etwa 6 Monate |
Nahrung | Intermediärtyp, Gräser und Triebe bis Mais, kaum selektiv |
Geweihabwurf | Ende Ferbruar / März |
Geweihaufbau | 140 – 170 Tage |
Lebensraum und Weise
Das Rotwild ist die unsere größte heimische frei lebende Wildart. Die Jagd auf Rotwild wurde bereits in Höhlenmalerei der Steinzeit überliefert. Ursprünglich lebte Rotwild bevorzugt auf freien Flächen und war tagaktiv. Durch den Bau von Straßen und die zunehmende Besiedlung durch den Menschen wurden die zusammenhängenden Waldgebiete, in denen das Rotwild ungestört seiner natürlichen Lebensweise nachgehen konnte, immer weniger.
Heute gibt es Rotwild bei uns nur noch in eben diesen geeigneten Waldgebieten. Der Druck durch den Menschen hat größtenteils zu Nachtwild gemacht.
Was die Ansprüche an den Lebensraum angeht, so ist das Rotwild recht anpassungsfähig. Es bevorzugt zwar die perfekte Kombination aus Dickungen, Wald und offenen Flächen, kommt aber auch mit den Bedingungen in den heißen Tiefebenen Spaniens oder den Hochlagen der Alpen. Als Jagdwild wurde es auch in einigen weiteren exotischen Umgebungen erfolgreich angesiedelt.
Rothirsche sind nicht territorial. Sie ziehen umher und verteidigen dabei kein Revier.
Verhalten
Rotwild lebt im Rudel. Dabei lassen sich verschiedene Typen unterscheiden. Das Kahlwild, so bezeichnet man das weibliche Wild inklusive der Kälber, bildet ein eigenes Rudel. Angeführt wird dieses Rudel von einem Leittier. Innerhalb des Rudels kann es auch zu Rangkämpfen kommen. Das Rudel wird gelegentlich von jungen Hirschen begleitet. Hirsche des 1. und 2. Kopfes stehen ebenfalls meistens noch beim weiblichen Wild.
Das Leittier führt immer ein Kalb. Sollte es dieses Kalb verlieren, dann verliert es auch seinen Rang innerhalb des Rudels.
Die Hirsche finden sich nach dem Geweihabwurf und der Brunftzeit zu Rudeln zusammen. Ältere Hirsche werden zu Einzelgängern oder leben in kleineren Rudeln.
Nahrung
Das Rotwild ist ein Intermediärtyp. Es ist also recht anpassungsfähig bei der Äsung. Früher bewohnte es Baumsavannen und nutzt für die Äsung daher gerne Gras und Kräuter auf Freiflächen im Wald. Aber wie bereits erwähnt ist es nicht zu wählerisch und richtet deswegen auch einiges an Schaden durch Verbiss an. Anders als z.B. beim Reh werden an der Waldverjüngung dabei nicht nur die Spitzen und Knospen zerstört, sondern die komplette Pflanze verbissen.
Aber auch bei landwirtschaftlichen Flächen macht das Rotwild nicht halt. Auch Kartoffeln oder Mais stehen auf dem Speiseplan. Hier muss der Jäger ein gutes Gleichgewicht finden. Wird das Wild durch starken Druck in dichtere Waldgebiete zurückgedrängt, kommt es auch zu Abschälungen an jungen Bäumen.
Ansonsten frisst es alles, was sich im Wald finden lässt. Frische Nadeln, Pilze, Triebe, Baumfrüchte, Eicheln oder Vogelbeeren.
Rothirsche können mit ihrem Geweih sogar Äpfel zielsicher aus Bäumen schlagen. Rotwild gehört zu den Wiederkäuern. So wechseln sich alle 24 Stunden etwa 5 Äsungsphasen mit 5 Wiederkäuphasen ab. Durch diesen natürlichen Rhythmus befinden sich das Wild mehrmals am Tag entweder auf Äsungssuche oder in einer Ruhephase.
Wenn das Wild durch den Einfluss des Menschen von diesem natürlichen Ablauf abgehalten wird, dann kommt es zu einer Verhaltensänderung. Es wird zunehmend zum Nachttier und kann Schäden am Verdauungstrakt davontragen. Die Wildschäden nehmen durch die fehlende natürliche Nahrungsaufnahme zu.
Sinne & Laute
Rotwild hat generell eine sehr gute Wahrnehmung. Es hört bzw. vernimmt und riecht bzw. windet sehr gut. Aus diesem Grund verlässt es den Einstand auch meist gegen den Wind. So werden eventuell bedrohliche Gerüche sofort bemerkt.
Das Rotwild hat zwar auch gute Augen und kann dementsprechend sehen (äugt), es hat aber Probleme bewegungslose Objekte zu erkennen. Daher ist es ein Bewegungsseher.
Bei Hirsch und Tier gibt es verschiedene Laute, die zur Kommunikation innerhalb des Rudels verwendet werden.
Das führende Stück des Rudels hat die Aufgabe, Gefahren zu erkennen und die Flucht des Rudels einzuleiten. Das führende Alttier schreckt, wenn es gestört wird, mit einem tiefen, hallenden Warnlaut.
Ein weiterer Ruf ist das Mahnen. Dieser kommt in verschiedenen Situationen zum Beispiel bei der Kommunikation zwischen Muttertier und Kalb oder als Lockruf während der Brunft zum Einsatz.
Der meldende Hirsch, also ein Hirsch, der Brunftrufe abgibt, setzt dafür nicht nur das Mahnen, sondern eine breite Palette von Rufen in verschiedene Intensitäten und Klangfarben ein.
Zwei weitere Rufe, die im Zusammenhang mit der Brunft verwendet werden, ist der Kampfruf und der Sprengruf. Mit dem Kampfruf werden Nebenbuhler, die es auf seinen Harem abgesehen haben, zum Kamp herausgefordert.
Während der Verfolgung eines brunftigen Tieres oder eines Rivalen kommt der Sprengruf zum Einsatz.
Das Geweih des Rotwild
Was ist neben der gewaltigen Statur des Rothirsches wohl das auffallendste Merkmal? Klar das Geweih.
Das Hirschkalb entwickelt am Ende des ersten Lebensjahres knöcherne Stirnzapfen, auch Rosenstöcke genannt. Auf diesen sitzt später das Geweih. Zu Beginn des zweiten Lebensjahres bildet sich das Erstlingsgeweih. Dabei handelt es sich meistens um zwei einfache Spieße ohne weitere Sprossen. Wenn der jetzt Schmalspießer genannte Hirsch eine besonders gute Veranlagung hat, kann er bereits Augsprossen ausbilden. Das Geweih kann bereits in der Spitze in zwei oder drei Enden geteilt sein. Was allerdings immer fehlt, ist die Rose. Dabei handelt es sich um eine Rundumverdickung des Geweihs am Rosenstock. Sozusagen die Basis des Geweihs. Diese bildet sich dann mit dem zweiten Kopf aus.
Dieses erste Geweih wird dann im September und Oktober gefegt. Etwas später als bei älteren Hirschen. Diese fegen ihr Geweih in der Regel in der zweiten Julihälfte.
Hat ein Hirsch eine sehr schlechte Veranlagung, kann es sein, dass sich beim zweiten Kopf wieder nur Spieße ausbilden. Die Unterscheidung zum 1. Kopf lässt sich dann über die Rose machen. In der Regel bildet der Rothirsch mit dem zweiten Kopf ein Sechser- oder Achtergeweih aus. Die Altersbestimmung ist aufgrund der Enden des Geweihs daher nicht möglich.
Mit dem 5. oder 6. Kopf ist der Hirsch körperlich ausgewachsen.
Anders als bei den Boviden also den Hornträgern, zum Beispiel Rinder, Schafe und Ziegen, wird das Geweih bei den Hirschen nicht aus Horn, sondern aus Knochen gebildet und jedes Jahr gewechselt.
Nach dem Abwerfen der Geweihe im Frühling beginnt die Kolbenzeit. Der Kreislauf aus Abwerfen, Neuem Wachstum und Fegen wird von Hormonen gesteuert, deren Ausschüttung durch das Verhältnis zwischen Licht und Dunkelheit ausgelöst wird.
Jetzt werden die Hirsche auch als Kolben oder Basthirsche bezeichnet. Das neue (Kolben-)Geweih benötigt ungefähr 140 bis 170 Tage bis es fertig ausgebildet ist. Die Oberfläche der Geweihe ist von den typischen Rillen geprägt. In diesen liefen während des Wachstums die Blutgefäße.
Während dieser knappen 5 Monate ist das Geweih von der Basthaut überzogen. Diese ist gut durchblutete und sorgt für die notwendige Nährstoffversorgung mit unter anderem reichlich Kalzium. Am Ende des Sommers trocknet die Basthaut von unten nach oben ein. Dadurch entsteht ein starker Juckreiz für den Hirsch, der nun die Basthaut abfegt. Er streift sie an Sträuchern und Stämmen ab.
Das neue Geweih hat noch nicht die typische bräunliche Färbung, sondern ist noch deutlich heller. Durch die Pflanzensäfte beim Fegen erhält es seine Farbe. Die Spitzen werden durch die Benutzung poliert und bleiben hell.
Fortpflanzung beim Rotwild
Wenn man einen Rothirsch nach dem Sinn des Lebens fragen könnte, wird er dir wohl mit Fortpflanzung antworten. Denn alles, was er das Jahr über tut, läuft auf diese drei bis 4 Wochen im Jahr hinaus, in der er alles gibt, um seine Gene an die nächste Generation weiterzugeben.
Die Brunftzeit geht ungefähr von Mitte September bis Mitte Oktober. Besonders für den Hirsch ist diese Zeit sehr anstrengend und er kann bis zu 20 kg an Gewicht verlieren. Das liegt an seiner hohen Aktivität und der sehr geringen Nahrungsaufnahme in dieser Zeit.
Nicht um sonst nennt man die Zeit zwischen dem Fegen und der Brunft auch Feistzeit bzw. den Hirsch Feisthisch. Er frisst sich einen Vorrat an Fett an, den Feist. Diesen brauch er auch um die Brunft durchzuhalten.
Denn gerade als hochrangiger Platzhirsch hat er jetzt einiges zu tun. Er muss seinen Harem zusammenhalten. Immer wieder ausbrechende Tiere zurücktreiben und gleichzeitig Nebenbuhler abwehren, die versuchen ihm seinen Platz streitig zu machen. Das schafft er zum einen durch Imponieren mit seinem Geweih und seine Laute.
Trifft er auf einen ungefähr gleichstarken Rivalen, kommt es zum Kampf. Bei diesem Kampf, dem Forkeln, kann es zu schweren und auch tödlichen Verletzungen kommen. Bei diesem Kampf geht es nicht darum, den Gegner mit dem Geweih zu verletzen. Es ist ein Schiebekampf. Die Geweihe können sich dabei ineinander verfangen. Dieses “Verklemmen” endet ebenfalls tödlich.
Das einzelne Alttier (ab dem 3. Lebensjahr) oder Schmaltier (im 2. Lebensjahr) ist für 2-3 Tage brünftig. Äußerlich lässt sich das am waagerecht gehobenen Wedel erkennen. Der Platzhirsch findet die brünftigen Tiere im Rudel durch den Geruch.
Diese treibt er dann für eine Zeit und beschlägt sie anschließend.
Ist der Platzhirsch zu erschöpft, verlässt er sein Rudel auch vor Ende der Brunftzeit. Dann stehen auch schwächere Hirsche beim verlassenen Rudel und beschlagen die restlichen Tiere.
Tiere, also das weibliche Rotwild, wird im 2. Lebensjahr geschlechtsreif. Wird ein Tier in dieser Zeit nicht erfolgreich befruchtet, spricht man von einem übergehenden Schmaltier.
Der Rang des Muttertieres ist immer auch vom Kalb abhängig. Das Leittier führt immer auch ein Kalb. Ohne das Kalb verliert es seine Position und verliert das Kalb seine Mutter wird es aus dem Rudel verstoßen und geht im Winter ein.
Wildkunde Rotwild – Ende
Das war mein Beitrag zum Thema Rotwild. Natürlich gibt es noch einiges mehr zu diesen Tieren zu erzählen. Von der Entwicklung der Zähne über die Arten und das Aussehen von Fährten und Losung bis zur Bejagung und seiner Rolle in der Geschichte.
Das alles wird in der Zukunft hier noch ergänzt werden. Schau also gerne wieder vorbei!
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Waidmanns Heil!